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Institut für Sport und Sportwissenschaft
IfSS Freiburg.


Forschungsprojekt 1998:


Leistungsbestimmende Faktoren im
Mountainbikesport - Diagnose und Training


B. Stapelfeldt, A.Schwirtz,M. Hillebrecht, O. Schumacher
BISp-Projekt Nr.VF 0407/06/04/98

Mountainbikerennen waren 1996 zum ersten Mal Teil des olympischen Programms in Atlanta. Der Mountainbikesport hat sich damit international als Leistungssport etabliert.
Im Mountainbike-Sport unterscheidet man heute im wesentlichen zwei Wettkampfdisziplinen. Beim Cross-Country-Rennen werden Fahrzeiten von 2-3 Stunden erreicht und totale Höhenunterschiede um 1500 m bewältigt. Der Start erfolgt als Massenstart, und die Strecke führt über Feld- und Waldwege. Im Downhill-Rennen geht es um das möglichst schnelle Bewältigen einer Bergabstrecke. Diese ist etwa 3 km lang und weist eine Höhendifferenz von bis zu 300 m auf. Die Fahrzeiten bewegen sich hier um die 4 Minuten. In Downhill-Rennen können Fahrgeschwindigkeiten von bis zu 100 km/h erreicht werden (ARNOLD/FRIEDRICH/SOMMER 1997, 37).

Seit 1996 wird der Nationalkader Mountainbike des Bundes Deutscher Radfahrer leistungsdiagnostisch und trainingsmethodisch im Radlabor des OSP Freiburg-Schwarzwald betreut. Sowohl die Inhalte der Leistungsdiagnose als auch die Grundlagen der Trainingsmethodik basierten zunächst auf Erkenntnissen anderer Radsportdisziplinen (Bahnradsport, Straßenradsport). Grundlage einer disziplinspezifischen Leistungsdiagnose und Trainingsmethodik ist die präzise Kenntnis über die Leistungsstruktur und das Zusammenwirken von leistungsbestimmenden Faktoren. Die Aufklärung dieser Bedingungsstruktur ist deshalb als erster Schritt anzugehen, um zu Erfolgen in einer Sportart zu gelangen.

Aus wissenschaftlicher Sicht ist der Mountainbikesport bis heute nur sehr unzureichend bearbeitet worden. Eine genaue Analyse der Anforderungsstruktur und eine daraus abgeleitete Beschreibung eines Leistungsprofils liegt bisher nicht vor (KÖHLER/VÖLKER 1994, 100). Lediglich einzelne Ansätze zur Klärung spezifischer Fragestellungen lassen sich in der Literatur finden.

Daß sowohl die aerobe als auch die anaerobe Ausdauer von großer Bedeutung für den Mountainbiker sind, wird in den wenigen vorhandenen Veröffentlichungen dargestellt (CINQUE 1987, BRÜGGENJÜRGEN/KÜRSCHNER 1991, LEDL-KURKOWSKI/DALUS/AIGNER 1994, GERIG/FRISCHKNECHT 1996, SCHMIDT 1997).

Neben der Ausdauerleistungsfähigkeit werden immer wieder die Kraftfähigkeiten als leistungsbestimmend genannt. Einzelne Untersuchungen weisen darauf hin, daß ein positiver Zusammenhang zwischen der Maximalkraft und der aeroben Ausdauerleistung besteht (BÜHRLE u.a. 1988, 31). Insbesondere die Abbruchleistung im Stufentest kann durch ein erhöhtes Maximalkraftniveau positiv beeinflußt werden (HICKSON u.a. 1988, MARCINIK u.a 1991). KERNMAYER u.a. (1990) finden einen positiven Zusammenhang (r=0.70) zwischen der Kraftausdauer und den Ergebnissen des 1000m- und 10.000m-Zeitfahrens. Trotz intensiver Recherche ist es uns nicht gelungen, Informationen über wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Themenkomplex in Bezug auf Mountainbikesport zu erhalten.

Die Frage nach den technischen Fertigkeiten, die leistungsbestimmend sind, kann ebenfalls nicht befriedigend beantwortet werden. Auch hier werden immer wieder allgemeine Aussagen ("runder Tritt", Lenkverhalten, Bremsverhalten) gemacht, konkrete Untersuchungen lassen sich aber nicht finden.

Um zumindest einen ersten Eindruck von den Anforderungen zu bekommen, die an einen Mountainbiker gestellt werden, konnten wir im Frühjahr 1997 bei einem Weltcuprennen in St. Wendel eine Pilotstudie durchführen (DSB Projekt Nr. 8205/5 "Anforderungsprofil Mountainbike", HILLEBRECHT u.a. 1997). Zwei Fahrer bestritten das Rennen mit einem SRM-System (Schoberer-Rad-Meßtechnik). Das SRM-System erlaubt die präzise Erfassung der erbrachten Leistung, der Trittfrequenz, der Geschwindigkeit, der Fahrstrecke und der Herzfrequenz. Alle Daten können im Sekundenabstand abgespeichert und am Ende mit einer speziellen Software weiterverarbeitet werden. Die Ergebnisse unserer Pilotstudie haben gezeigt, daß während eines Rennens hohe Anforderungen an die aerobe und anaerobe Ausdauerleistungsfähigkeit gestellt werden.

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß bisher kaum Untersuchungen vorliegen, die belegte Aussagen zu Zusammenhängen und Bedingungsstrukturen von Leistungsfaktoren im Mountainbikesport machen können. Daß es Möglichkeiten gibt, diese komplexen Strukturen zu erforschen, hat die 1997 durchgeführte Pilotstudie gezeigt. Im Jahr 1998 wurde daraufhin vom BISP ein Forschungsprojekt genehmigt, welches den Titel "Leistungsbestimmende Faktoren im Mountainbikesport - Diagnose und Training" trägt. Das aktuelle Forschungsprojekt führt den Ansatz des Pilotprojektes von 1997 - die Messung der Leistung ("power") in MTB-Wettkämpfen mit dem SRM-System - fort.

Das SRM-System der Firma Schoberer zur Leistungsmessung am MTB gleicht in seiner mechanischen Funktion einer handelsüblichen MTB-Kurbel mit einem Kurbelarm, der für die Aufnahme von drei Kettenblättern vorbereitet ist. Durch Messung des Drehmoments und der Winkelgeschwindigkeit in der Kurbel kann als berechneter Parameter die Leistung induktiv ausgegeben werden.

Das SRM-System ermöglicht damit die Messung der vom Fahrer an der Tretkurbel erzeugten Leistung in Watt. Dies ist derjenige Parameter, welcher eine objektive Beschreibung der auf den Fahrer wirkenden Belastung zuläßt.

Zusätzlich werden die Trittfrequenz, die Fahrgeschwindigkeit, die gefahrene Wegstrecke und mit einem Polar-Herzfrequenz-Sender die Herzfrequenz in der mobilen Speichereinheit des Systems erfaßt. Letztere Parameter sind von verschiedenen äußeren Faktoren abhängig und können bei gleicher Leistung und damit gleicher Belastung differieren. Daher ist dieses Meßsystem für die Beurteilung von Leistungen im Radsport unbedingt notwendig.

Zusätzlich wurde in den Wettkämpfen eine Teilzeitenanalyse durchgeführt, um Aussagen über das Fahrverhalten in unterschiedlichen Geländeabschnitten zu erhalten. Hierzu wurden die Rennstrecken in verschiedene Teilstrecken unterteilt, für die die Fahrzeiten gemessen wurden. Um während des Wettkampfes eine Zeitmessung an beliebigen Streckenpunkten zu ermöglichen, wurden Videokameras mit einem integrierten Timer eingesetzt.

Es wurden Daten von 13 Fahrern (9 Männer, 4 Frauen) in acht nationalen und internationalen Wettkämpfen erhoben. Die Gruppe der Frauen bestand aus deutschen Spitzenfahrerinnen, die der Männer aus Mitgliedern des B-Kaders und C/U23-Kaders.

Als Untersuchungsgruppe für die Teilzeitenanalyse stand das gesamte Fahrerfeld zur Verfügung. Je nach Teilnehmerzahl ergab dies eine Gruppengröße von ca. 50 bis 150 Fahrern bzw. Fahrerinnen.

Als Beispiel für ein Ergebnis aus der Teilzeitenanalyse steht die folgende Abbildung. Sie zeigt die Abschnittszeiten im Rennverlauf für die Plätze 1, 11, 22, 32, 50 und 61. Je nach Länge und Schwierigkeitsgrad eines Streckenabschnittes sind die Teilzeiten unterschiedlich hoch.

Der Blick auf einen einzelnen Abschnitt (A5) zeigt den Unterschied zwischen Fahrern mit unterschiedlichem Leistungsniveau (bewertet nach der Endplatzierung).

Die folgende Abbildung zeigt den Rennverlauf anhand von Meßkurven, die mit dem SRM-System aufgezeichnet wurden. Zu sehen ist die Leistung in Watt und die Herzfrequenz.

Das umfangreiche Datenmaterial wurde ausgewertet und wird zur Zeit einer statistischen Analyse unterzogen. Erste Ergebnisse geben einen interessanten Blick auf das tatsächliche Anforderungsprofil eines Mountainbikers frei. Neben extrem hohen Wattleistungen, zeichnen sich Mountainbikerennen durch den ständigen Wechsel von extremer Belastung und mäßiger Erholung aus.

Das Anforderungsprofil Mountainbike weist demnach eine eigene Charakteristik auf, die nicht mit herkömmlichen Sportarten und Disziplinen zu vergleichen ist. Dies zwingt dazu, über herkömmliche Methoden in der Diagnose der leistungsbestimmenden Faktoren hinaus Tests zu entwickeln, die dieser besonderen Leistungsstruktur gerecht werden. Damit ist aber nur der halbe Weg zu erfolgreichen Ergebnissen im Mountainbike-Sport gegangen. Um den Athleten auf diese Art von Belastung vorzubereiten, muß zwangsläufig über Trainingsinhalte und Trainingsmethoden nachgedacht werden. Es ist nicht einzusehen, warum das hauptsächlich auf die aerobe Ausdauer ausgerichtete Training eines Straßen- oder Bahnradfahrers, wie es bisher im Mountainbike-Sport durchgeführt wird, dieser Belastungsstruktur gerecht werden sollte. Der ständige Wechsel von Belastung und Erholung, die enormen Leistungsspitzen und die Bedeutung von technischen Einflüssen weisen darauf hin, daß im Mountainbikesport die Bedeutung von einzelnen Fähigkeiten und Fertigkeiten anders ist, als in herkömmlichen Langzeitausdauersportarten oder Radsportdisziplinen. Damit müssen auch andere Trainingsinhalte und Trainingsmethoden angewandt werden.

Untersuchungen bezüglich eines sportartspezifischen Krafttrainings, Intervalltrainings und Koordinationstrainings erscheinen daher als unbedingt notwendig, um dieser jungen olympischen Sportart eine trainingswissenschaftliche Grundlage zu verschaffen.

Literatur

ARNOLD, M.P./FRIEDERICH, N.F./SOMMER, C.J.: Das Mountainbike - ein moderner Kniekiller? Schweizerische Zeitschrift für Sportmedizin und Sporttraumatologie 1997, 45, 1, 37-39

BRÜGGENJÜRGEN, B./KÜRSCHNER, M.: Handbuch für Mountain-Biking. Technik - Training - Tourenvorbereitung. Aachen 1991

BÜHRLE, M./HUBER, G./JAKOB, E./KIBELE, A./STOCKHAUSEN, W.: Der Einfluß des Maximalkraftniveaus auf die Kraft-Ausdauer-Leistungen im anaeroben und aeroben Bereich. Abschlußbericht BISP Projekt 040/06/07/87. Freiburg 1988

CINQUE, C.: Mountain biking: does rough terrain make rugged riders? The physician and sportsmedicine, 1987, 15, 3, 184-190

GERIG, U./FRISCHKNECHT, T.: Mountainbiking. In: WEISS, C. (Red.): Handbuch Radsport. München 1996, 305-376

HICKSON, R.C./DVORAK, B.A./GOROSTIAGA, E.M./KUROWSKI, T.T./FOSTER, C.: Potential for strength and endurance training to amplify endurance performance. Journal of Applied Physiology 1988, 65, 2285-2290

HILLEBRECHT, M./SCHWIRTZ, A./STAPELFELDT, B./SCHUMACHER, O./MÜLLER, P./JÖRDENS, K.: Anforderungsprofil Mountainbike - eine Pilotstudie. Projektbericht DSB Nr. 8205/5, Freiburg 1997

KERNMAYER, F./HABER, P./PODOLSKY, A.: Aerobe Kapazität, Maximalkraft, Kraftausdauer und sportliche Leistung bei Radrennfahrern. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin 1990, 41, 244-248

KÖHLER, B./VÖLKER, K.: Belastungscharakteristika beim Mountainbiking - Plädoyer für eine sorgfältige sportmedizinische Betreuung. TW Sport und Medizin 1994, 6, 100-104

LEDL-KURKOWSKI, E./DALUS, E./AIGNER, A.: Ausdauer-Leistungsfähigkeit von Mountainbikefahrern. Österreichisches Journal für Sportmedizin 1994, 24, 76-78

MARCINIK, E.J./POTTS, J./SCHLABACH, G./WILL, S./DAWSON, P./HURLEY, B.F.: Effects of strength training in lactate threshold and endurance performance. Medicine and Science in Sports and Exercise 1991, 23, 739-743

SCHMIDT, A.: Mountainbiketraining für Anfänger und Profis. Aachen 1997


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Boris Erb
Letzte Aktualisierung am 24. Februar 1999